Unter unserem Himmel: Wirtsleute auf Zeit · Rädle am Bodensee | Video der Sendung vom 05.11.2023 19:15 Uhr (5.11.2023) mit Untertitel

Es gibt am bayerischen Ufer des Bodensees einige Winzer- und Obstbauernfamilien, die für ein paar Wochen im Jahr zu Wirtsleuten werden. In ihren Rädlewirtschaften servieren sie eigenen Wein und Most und stellen sich selbst an den Herd, um einfache Gerichte zu kochen oder Brotzeiten zuzubereiten.Als Zeichen, dass das Rädle geöffnet ist, hängt Eugen Schmidt ein Wagenrad am Hof aus. Seine Frau Margret und er gehören zu den Pionieren, die Anfang der 1980er-Jahre wieder Reben pflanzten. Lange Zeit gab es hier in Hattnau, nahe der Grenze zu Baden-Württemberg, keinen Weinbau mehr. Ein eisiger Frost hatte 1956 den gesamten Anbau zum Erliegen gebracht. Erst mit Margret und Eugen Schmidt kehrte der Wein und die alte Tradition der Rädlewirtschaft wieder auf ihren Betrieb zurück. Für wenige Wochen im Herbst und im Frühling öffnen sie die Stuben ihres 300 Jahre alten Bauernhofs. Und jedes Jahr sind sie von Neuem nervös, ob wirklich genügend Gäste kommen - was natürlich jedes Mal unbegründet ist. Einheimische und Gäste sitzen hier eng zusammen und genießen bei einem Glas Müller-Thurgau oder Spätburgunder selbst gebackenes Brot, saures Rindfleisch und geräucherte Felchen.Nur wenige Kilometer entfernt, in Lindau, liegt das Anbaugebiet von Claudius Haug. Traditionelle Reben wie Müller-Thurgau, aber auch Neuzüchtungen wie Solaris oder alte französische Sorten wie Maréchal Foch wachsen hier auf 400 bis 500 Metern im Bio-Anbau mit schönstem Seeblick. Der See sorgt für ein mildes Klima. Trotz allem gibt es, wenn auch selten, Ausfälle. Ein Jahr fiel auf dem Weingut Haug fast die ganze Ernte aus. Aus dieser Not heraus eröffnete der Winzer mit seiner Familie vor sechs Jahren sein Rädle. Sie bauten den alten Kuhstall zum Gastraum um und ersannen neue Rezepte für den besten Zwiebelkuchen oder Quarkkeulchen mit Apfelmus.In Bodolz, auf fünfeinhalb Hektar, baut Apfelbauer Markus Franz Golden Delicious, Topaz, Elster oder Boskop und noch einige andere Sorten an. Allein vom Obstbau kann er aber mittlerweile nicht mehr leben. Der Handel macht ihm zwar immer strengere Vorgaben zu Größe und Aussehen der Äpfel, Geld bekommt der Bauer aber für sein Obst immer weniger. Seine Plantage aufzugeben, kam für Markus Franz nie infrage, lieber tüftelte er an der richtigen Rezeptur für einen guten Apfelmost. Das Nebengebäude am Hof hat er umgebaut, hier keltert er seinen Apfelwein. Wenn im Spätherbst alle Äpfel geerntet sind, werden die Bauersleute zu Wirtsleuten und servieren zum Most einfache Brotzeiten. Und so abgelegen der Hof auch ist - die Gäste finden den Weg.


Bild: br