alpha-retro.: Fünf Ärzte in Burghausen (1957) | Video der Sendung vom 13.09.2019 20:15 Uhr (13.9.2019) mit Untertitel
Fünf Ärzte in Burghausen (1957)
Holzkegel fallen, die Kegler jubeln. Eine Kegelrunde in den Fünfzigerjahren. Wo? In Burghausen an der Salzach, im bayerischen Grenzgebiet zu Österreich. Die Kegler sind fünf Ärzte. Die einen kegeln mit Begeisterung, die anderen weniger, aber alle kommen sie der Geselligkeit wegen gerne zusammen. Wie leben diese Männer in den späten Fünfzigerjahren in dieser kleinen Stadt? Bereits lange vor der „Schwarzwaldklinik“ waren also Ärzte für Fernsehzuschauer eine hoch interessante Spezies. Da gibt es z.B. den Internisten: Er lebt in der Innenstadt in einem „kraftvoll patriarchalen Haus“ mit geräumigen Zimmern, er ist verheiratet und hat drei Kinder, zwei der Buben gehen bereits zur Schule. Zeittypisch der Kommentar dazu: „Es ist ein Elternhaus, wie man es Kindern wünscht. Der Vater ist zu festen Stunden daheim, die Mutter stets, ein Mädchen nimmt ihr die gröbste Arbeit ab.“ Im damals neu gebauten Burghausener Krankenhaus ist er nämlich Chefarzt der Inneren Abteilung und beim Gang durch die Labore und die Röntgenstation wird das hohe Lied der modernen Medizin gesungen, die damals noch nicht als Apparatemedizin verschrien war. Dieser Internist ist Arzt „nicht aus Mitleid und menscheitsbeglückendem Pathos, Gefühlen, die im Urwald vorhalten mögen kaum aber in einem städtischen Krankenhaus.“ Daher studiert er Forschungsberichte und publiziert selbst wissenschaftliche Aufsätze. Eine Großstadt würde ihn nur ablenken, ein reines Landleben angeblich stumpf machen, in dem kleinen Kreis jedoch, den er gewählt hat, ist er „an seinem großen Platz“. Der Chefarzt der chirurgischen Abteilung an diesem Krankenhaus hat keine Ärzte als Vorfahren, als Chirurg fühlt er sich ohnehin eher als Handwerker. Der Chefarzt der gynäkologischen Abteilung wiederum entstammt einer uralten Arztfamilie, ist verheiratet und hat ebenfalls drei Kinder. Beim Anlegen seines „Alpingartens“ hilft ihm sein Freund, der handwerklich begabte Chirurg. Der vierte im Bunde ist praktischer Arzt auf der Burg: auch er verheiratet, zwei Kinder. 20 Jahre nach dem Examen hatte er sich vor drei Jahren endlich selbständig machen können. Mit einem schon damals alten VW-Käfer mit Brezelfenster fährt er zur Visite aufs Land. In seiner Freizeit „begnügt sich der stille anspruchslose Mann… mit guter Lektüre und der Hoffnung auf eine künftige Plattensammlung.“ Der fünfte Arzt im Bunde ist ebenfalls praktischer Arzt, einer, der schon seit zwölf Jahren sowohl in Bayern wie auch drüben in Österreich seine Patienten hat. Sein „treuester“ Patient ist der Burghausener Kaminkehrer, der nach einem Arbeitsunfall seit zwei Jahren mit Gips im Bett liegt und noch mindestens ein weiteres vor sich hat. Das ist schlimm, auch für den Arzt, der fast täglich kommen muss. Aber „Hilfe heißt nicht immer Rezept und Tablette, oft ist Trost, ansteckender Lebensmut nötiger… Und all dies auf der Hetzjagd von Krankenbett zu Krankenbett. Ein strenger Beruf.“ Dennoch ist dieser Mann nebenbei auch noch im Volksbildungswerk der Stadt engagiert. B
Bild: br