alpha-retro.: Die Schwanthaler Hochebene (1965) | Video der Sendung vom 05.04.2021 14:45 Uhr (5.4.2021) mit Untertitel

Die Schwanthaler Hochebene (1965)

05.04.2021 ∙ alpha-retro. ∙ ARD alpha

Wie war es damals im Jahr 1965 im Münchner Westend, das von allen nur Schwanthaler Höh genannt wurde? Der Film sagt: „Wer nicht muss, zieht nicht in diese Gegend. Aber wer hier wohnt, dem ist sie lieb wie ein abgewetzter Handschuh… Und in den Hinterhöfen kleben die Balkone an den Wänden wie Vogelnester.“ Wenn die Kamera sich wieder der Straße zuwendet, sieht man den „Hut-Salon Maria“, über dem im ersten Stock die Federbetten zum Auslüften aus dem Fenster hängen. Unten fährt ein bebrillter Herr -  vielleicht ein Assessor oder ein Buchhalter? – geschwind auf dem Fahrrad, verfolgt von einer Vespa. Der Straßenkehrer daneben kehrt den Bürgersteig, aber nicht hektisch. Und dann geht es gegen Mittag in den Gollierpark, in die grüne Insel der Schwanthaler Höh und die Autorin schaut nach, ob die Tische für die Kartenspieler noch stehen. Sie sind noch da und besetzt von Buben, die sich in einem traditionellen bayerischen Kartenspiel üben, dem Watten. Dann folgt die Kamera einem Lumpensammler in ein Treppenhaus bis vor die Wohnungstür einer Frau, die ihm ihre gesammelten Altpapierbestände überreicht. Später, es ist schon Nachmittag und es wird wohl ein Samstag sein, holt der Peter die Christa ab und der Film sagt dazu: „Die beiden sehen nicht, ob die Straßen hier schön oder hässlich sind, sie sind hier aufgewachsen“ – und weil sie ganz offensichtlich ineinander verliebt sind. Am späten Nachmittag füllt sich der Gollierpark, die „Reeperbahn der Schwanthaler Höh“, erneut. Buben laufen vorbei, die ein paar Flaschl Bier als Abendtrunk aus dem Kramerladen holen müssen. Und jetzt sitzen auch nicht mehr die Jungen an den Tischen für die Kartenspieler, sondern die etwas älteren Herren. Aber auch sie spielen Watten: Die Schellenacht ist Trumpf und einen Kritischen hat dieses Mal keiner. Am Abend geht man zum Feiern nicht hinunter in die Stadt, in die Hochburgen der großen Kultur, sondern man geht ins Wirtshaus und schaut, wenn man Glück hat, einem Akrobaten zu, der auf einem Wirtshaustisch seine Kunststücke vorführt. Der Film von Lis Klatt aus dem Jahr 1965 lässt einen ein wenig wehmütig zurück: gemütlicher war es damals – jedenfalls von heute aus betrachtet.


Bild: br