alpha-doku: Wie Alleinerziehende im Stich gelassen werden | Video der Sendung vom 07.09.2023 21:00 Uhr (7.9.2023) mit Untertitel
Wie Alleinerziehende im Stich gelassen werden
Berlin ist die Hauptstadt der Alleinerziehenden: In fast jedem dritten Haushalt leben Kinder mit nur einem Elternteil – in neun von zehn Fällen mit ihrer Mutter. Eine kleine Gruppe sind diese Familien also nicht und trotzdem bekommen sie nicht die gleichen Chancen wie Mutter-Vater-Kind. Jede zweite Ein-Elternfamilie gilt trotz Arbeit als einkommensarm und das hat viele Gründe. Machen Kinder also arm?Brigit Uhlworm berät Alleinerziehende in Brandenburg. Sie erlebt, dass Frauen, die ihre Kinder auch ohne Männer gut durchbringen können, gesellschaftlich nicht gewollt sind. „Noch immer gilt das Modell – Vater-Mutter-Kind.“ Die Buchautorin Anne Dittmann spitzt das zu und sagt „Alleinerziehende Mütter sind eine Provokation für die Gesellschaft“. Und die Väter? Nur die Hälfte der Kinder von Alleinerziehenden bekommt Unterhalt. Auch wenn die Mütter arbeiten wollen und hochmotiviert sind, der Arbeitsmarkt, fehlende Kinderbetreuung und das Steuerrecht bremsen sie aus und erhöhen das Armutsrisiko. Funda Erel arbeitet seit der Geburt ihres Sohnes in Teilzeit. Als Quereinsteigerin hat sie nur befristete Verträge und muss ihr Gehalt aufstocken. Sie fühlt sich von möglichen Arbeitgebern benachteiligt, weil flexible Arbeitszeitmodelle fehlen. Vereinbarkeit von Job und Kind ist auch für Katja Tschenscher entscheidend: Sie hat einen 30 Stunden Job, kommt über die Runden, aber immer zu wenig Zeit – vor allem für sich. Sie muss einfach immer funktionieren. Sie fühlt sich oft überfordert, ausgebrannt und von der Gesellschaft nicht verstanden.Der Blick in die Zukunft und auf den Rentenbescheid ist für viele Alleinerziehende erschreckend: Kathrin Pechhold aus Königs-Wusterhausen hat im Laufe der Jahre alle Ersparnisse und die private Altersvorsorge kündigen müssen. Auch ihren Traumjob – Tontechnikerin – musste sie aufgeben, um das Leben mit zwei Kindern zu finanzieren. Jetzt hat sie nur noch wenige Jahre bis zur Rente und geht davon aus, auch als Rentnerin weiterhin arbeiten zu gehen. Schon jetzt ist es ihr Sohn, der zum Beispiel den Urlaub mitfinanziert.Der Film zeigt die Ungleichheiten und die Vorurteile auf, die Alleinerziehende jeden Tag treffen und bis ins Alter gelten. Das Armutsrisiko und die Existenzängste beeinflussen auch ihre Kinder. Savvy heißt eigentlich Leon Knauer, ist Mitte zwanzig, Rapper und im Friedrichshain bei seiner Mutter aufgewachsen. Seit der Trennung seiner Eltern wurde es finanziell prekär, die Mutter hatte zwei Jobs, es war klar, dass er mitverdienen musste. Das prägt ihn bis heute. Auch in seiner Familiengeschichte geht es um die Herausforderungen einer Alleinerziehenden, die immer wieder Ungleichheit erfährt. Es geht um Unabhängigkeit, den Kampf gegen strukturelle Benachteiligungen und gegen die immer gleichen Zuschreibungen.
Bild: BR/rbb/Franziska Hessberger