alpha-retro.: Das fränkische Weinjahr (1957) | Video der Sendung vom 25.09.2020 20:55 Uhr (25.9.2020) mit Untertitel
Das fränkische Weinjahr (1957)
In Richard Dills Film aus dem Jahr 1957 geht es zuerst einmal in den Keller, in den Weinkeller, zur ersten Probe des neuen Jahrgangs: Der Winzer lässt aus dem Holzfass einen Krug voll „Sulzfelder Sonnenberg“ laufen. Und zusammen mit dem Gemeindediener wird er dann verkostet. Gut ist er, der neue Wein, aber er ist gemäß einem alten Winzerspruch halt leichter zu trinken als zu bauen. Und um den Weinbau geht es nun. Die Altstadt von Sulzfeld ist zwar bis heute im Großen und Ganzen erhalten geblieben, aber so schöne Aufnahmen wie hier und dann im weiteren Verlauf dieses Films dürfte es von Sulzfeld nicht so leicht ein zweites Mal geben: kleine malerische Gässchen mit Kopfsteinpflaster, auf dem ein paar Hühner herumstreunen – eine Anmutung wie in einem alten Märchenfilm. Die Arbeit im Weinjahr strukturiert Richard Dill durch die jeweiligen Ausrufe des Gemeindedieners. Es beginnt damit, dass er verkündet, dass die Winzer im nahegelegenen Kitzingen neue Fechser, also junge Rebsetzlinge abholen können. In der Rebveredelungsanstalt holt sich also der Winzer Pfropfreben. In den 50er-Jahren ging es bei der Veredelung i.d.R. um eine größere Wurzelreblaus-Widerstandsfähigkeit. Die Leberschädlichkeit neuer Weinsorten wurde damals übrigens an Hühnern, getestet, denen man tatsächlich Wein zu trinken gab. Hühner haben nämlich eine sehr empfindliche Leber. Der Winzer holt also die neuen Setzlinge und pflanzt sie in seinem Weinberg ein. Aber auch nach dem Einpflanzen fährt der Winzer jeden Tag mit dem Pferdefuhrwerk(!) in seinen Weinberg. Um den Eisheiligen im Mai Paroli bieten zu können, trugen die Winzer damals alles, was brennt und möglichst viel Rauch entwickelt – z. B. alte Autoreifen – in ihre Weinberge und zündeten es an. Bei der Szene, in der an einem solchen Maiabend der zweite Bürgermeister mit einem Winzer vor dessen Haus beisammen steht und die beiden darüber sinnieren, ob sie bereits „heizen“ müssen, meint man ein Bild von Spitzweg vor Augen zu haben. Zwischen Ende Mai und Ende Juni war dann das Fronleichnamsfest das größte Fest in Mainfranken. Der Gemeindediener als Ausrufer weist die Menschen darauf hin, die Enten, Gänse und Hühner einzusperren und nicht frei auf der Gasse laufen zu lassen. Denn die Böden der Gassen und Straßen wurden wunderschön geschmückt mit Heu und Blumen. Die nun im Film folgenden Aufnahmen von der Fronleichnamsprozession in Sulzfeld stehen solchen aus Süditalien in nichts nach: Würden die Menschen nicht mit fränkischen Dialekt singen, man könnte glauben, man wäre in den 50er-Jahren in einem Dorf in der Nähe von Palermo. Aber beten alleine hat nicht geholfen: Um z. B. Pilze wie den Falschen Mehltau bekämpfen zu können, wurde auch damals schon gespritzt. Und das nicht wenig. Zumindest eine Atemschutzmaske für den Winzer beim Spritzen? Fehlanzeige. Und erst die Vögel! Die Schussapparate machten damals im Spätsommer im Mainfränkischen jeden Tag großen Radau, um die Vögel von den reifenden Trauben fernzuhalten. Irgendwann waren dann
Bild: br