Zeuge der Zeit: Ursula Dorn · Mein Leben als Wolfskind | Video der Sendung vom 14.04.2024 20:15 Uhr (14.4.2024) mit Untertitel
Ursula Dorn · Mein Leben als Wolfskind
"Der Wald war unser Schutz, unsere Heimat", sagt Ursula Dorn. Sie ist eines von etwa 20.000 "Wolfskindern", die vor der Hungersnot und den Rache- und Gewaltexzessen sowjetischer Soldaten aus Königsberg in die litauischen oder polnischen Wälder fliehen. Ursula versteckt sich in Litauen, bettelt um Milch und Brot bei Bauern oder verdingt sich als illegale Arbeiterin. Das Grauen beginnt aber bereits lange vorher: Ursula wird am 19. April 1935 geboren und wächst während der NS-Herrschaft im ostpreußischen Königsberg auf: als Arbeiterkind auf dem Schleppkahn ihrer Großeltern. Gleich zu Kriegsbeginn 1939 muss ihr Vater Fritz Buttgereit an die Front. Dass er 1946 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft stirbt, erfährt sie erst Jahrzehnte später. Auch von all den Verbrechen, die Deutschland unter dem Hakenkreuz begeht, bekommt Ursula nur wenig mit. Ihre Kindheit findet in Bombenkellern statt. Dort harrt sie während der Luftangriffe der Alliierten gemeinsam mit ihren kleinen Geschwistern Tage und Nächte aus. Ihr Leben ist geprägt von Todesangst und ständigem Hunger. Als die Rote Armee Anfang April 1945 die Stadt einnimmt, wird das Mädchen mit anderen deutschen Kindern und Frauen als "Kriegsbeute" auf einen Todesmarsch geschickt. Die Frauen werden systematisch und tagtäglich vor den Augen der Kinder vergewaltigt. Hunger quält die Überlebenden. Ursula schlachtet in ihrer Verzweiflung einen Hund, um ihn zu kochen. Krank und verlaust bettelt sie die russischen Soldaten um Essen an. Als die inzwischen Zehnjährige selbst kurz vor dem Hungertod steht, steigt sie eines Tages in einen sowjetischen Beutezug und fährt ins Nirgendwo. Sie landet schließlich im litauischen Kaunas, wo sie sich als Wolfskind im Wald versteckt. Ursula Dorn hat lange geschwiegen und ihre Geschichte für sich behalten. In diesem Film berichtet sie schonungslos von den Traumata ihrer Kindheit, von ihrer späteren Flucht aus der DDR und von dem grenzenlosen Leid, das Kinder in Kriegen erfahren müssen.
Bild: br