Lebenslinien: Für meine Tochter lerne ich lesen | Video der Sendung vom 06.09.2021 22:00 Uhr (6.9.2021) mit Untertitel

Annette hat sich versöhnt mit der Vergangenheit, in der ihre Eltern sie vernachlässigt hatten und sogar hungern ließen. Sie trägt das südamerikanische Kleid ihrer Mutter.

Annette ist ein halbes Jahr alt, als ihre Eltern 1967 mit ihr und den älteren Schwestern nach Chile auswandern. Doch das Jobangebot des Vaters erweist sich als leeres Versprechen, die Familie lebt bald in bitterer Armut. Die überforderten Eltern überlassen ihre Kinder immer häufiger sich selbst. Annettes Schwestern besuchen eine katholische Vorschule. Drei chilenische Schülerinnen werden auf die Mädchen aufmerksam und begleiten sie nach Hause, wo sie Chaos und eine spindeldürre Dreijährige vorfinden: Annette. Die Chilenen springen ein und geben den Kindern Zuwendung. 1973 zieht die Familie nach Panama, wo die Eltern Arbeit finden. Bitterlich vermisst Annette dort ihre chilenische Ersatzfamilie. Als sie eingeschult wird, schwänzt sie regelmäßig die Schule, was niemand bemerkt. 1978 bekommt der Vater Arbeit in Erlangen und die Familie kehrt nach Deutschland zurück. Annette spricht kaum Deutsch und kann weder lesen noch schreiben. Auf der Sonderschule wird sie jedoch wegen ihres sozialen Wesens und Pragmatismus geschätzt und "durchgeschleust". Ihre Fahrradmechaniker-Lehre besteht die Analphabetin als Beste ihres Jahrgangs. Doch erst, als sie ihrer eigenen Tochter vorlesen soll, beginnt Annette mühsam, lesen und schreiben zu lernen.


Bild: BR/isar film Produktion GmbH/Paul-Georg Busse