Zeuge der Zeit: Wilhelm Simonsohn · Leben im freien Fall | Video der Sendung vom 07.11.2021 21:00 Uhr (7.11.2021) mit Untertitel
Wilhelm Simonsohn · Leben im freien Fall
Er wuchs als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Hamburg-Altona auf und machte Karriere als Luftwaffenpilot bei der Wehmacht. Was widersprüchlich klingt, wird in Wilhelm Simonsohns Biografie zur sonderbaren Wirklichkeit. In seinem abenteuerlichen Lebensbericht erzählt der 101-Jährige von den Tumulten während der Weimarer Republik, der Verhaftung seines Vaters ins Konzentrationslager sowie seinen Erinnerungen an die Zerstörung Warschaus, die er in Wehrmachtsuniform im September 1939 mit eigenen Augen gesehen hat. Wilhelm Simonsohn wurde am 09.09.1919 in Hamburg-Altona geboren. Als er im Alter von 15 Jahren zur Marine-Hitlerjugend kommt, wird er dort als „Judenlümmel“ beschimpft. Nach der Machtergreifung 1933 durch die NSDAP werden jüdische Geschäfte boykottiert. Auch der Kohlehandel der Familie Simonsohn ist betroffen. Da lüften die Eltern ein Geheimnis: Wilhelm Simonsohn erfährt, dass er nicht der leibliche Sohn seiner Eltern Bertha und Leopold ist, sondern adoptiert wurde. Einerseits bricht für Wilhelm eine Welt zusammen. Auf der anderen Seite rettet diese Beichte sein Leben. Denn nach der perfiden Rassetheorie der Nazis, wurde der Adoptivsohn als „der nordischen Rasse“ zugehörig eingestuft. Während also sein Vater ins Konzentrationslager gebracht wird, wird Wilhelm zu Wehrmacht eingezogen. Wilhelm Simonsohn schildert in diesem Augenzeugenbericht aus zweierlei Perspektiven: Aus dem Blickwinkel des Sohnes eines Juden, der an den Folgen der Rassendiskriminierung der Nazis stribt. Aber auch aus dem Blickwinkel des Soldates, der den Überfall auf Polen und Frankreich mitgemacht hat. Vor allem die Bilder, die sich ihm nach der Zerstörung Warschaus eingebrannt haben, haben seine tiefe Überzeugung, Pazifist zu werden, verstärkt: „Unter den Trümmern lagen geschätzte 20.000 tote Menschen. Und die armen Menschen, die mit bloßen Händen auf dem Acker Kartoffeln ausgruben, weil sie Hunger hatten. Da habe ich mir geschworen, egal, was kommen mag, du wirst nie Bomben auf menschliche Siedlungen werfen.“Bis heute setzt Simonsohn sich für eine bessere Welt ein. Auf seiner ersten „Fridays for Future“-Demonstration war der heute 101-Jährige mit 99 Jahren.„Ich habe fünf Urenkelkinder und mache mir große Sorgen um den Bestand der Menschheit.“
Bild: br