Echt: Geraubt, erpresst oder gekauft - Wie afrikanische Schätze nach Sachsen kamen | Video der Sendung vom 20.03.2024 21:15 Uhr (20.3.2024) mit Untertitel
Geraubt, erpresst oder gekauft - Wie afrikanische Schätze nach Sachsen kamen
"Aber das werden Sie jetzt nicht alles zurückgeben, oder?" – diese Frage hört Fanny Stoye oft, wenn sie Besucher durch das Naturalienkabinett Waldenburg in Sachsen führt. Stehen sie dann vor einer der Vitrinen mit kleinen schwarzen Tonfiguren, Messingschmuck, silbernen Münzen und Alltagsgegenständen, erzählt die Museumschefin von ihrem Projekt: Sie lässt derzeit überprüfen, ob diese Schätze gewaltsam in Afrika und anderswo entwendet wurden. "Bei vielen weiß ich nichts, noch nicht mal, was das für Objekte sind. Bei manchen, wie dem Massai-Schmuck aus Messing, vermute ich eine dramatische Geschichte. Die muss erforscht werden". Als erstes Museum im ländlichen Raum startete Fanny Stoye 2021 ein großes Projekt, um die Herkunft von 150 Objekten zu klären. Unterstützt wird sie dabei von einem Spezialisten, Provenienzforscher Dr. Lutz Mükke. Provenienzforschung ist wie eine detektivische Spurensuche. In Archiven, Bibliotheken und Depots versucht Lutz Mükke, die Geschichte der Objekte zu entschlüsseln. Da er bereits als Student monatelang über den afrikanischen Kontinent gereist ist, besitzt der erfahrene Afrikanist dort inzwischen ein breites Netzwerk von Kollegen und Freunden. Deshalb hat er kurzerhand seinen Laptop mit Fotos aus Waldenburg eingepackt und ist vor Ort gefahren. Zum Beispiel zu den Massai in Tansania. "Dort ist Kolonialismus allgegenwärtig, die Ältesten erinnern sich sogar noch an Gewalt. An Stockhiebe und Vertreibung und Demütigung. Dennoch erzählen sie mir, was sie über die Museumsobjekte wissen," berichtet Dr. Lutz Mükke von seinen Recherchen. Bekannt ist das Naturalienkabinett Waldenburg für skurrile Tierpräparate wie eine achtbeinige Kuh, für wertvolle Mineralien wie Bernstein und seltsame historische Geräte. Inmitten der altertümlichen Schaukästen mit Tausenden dicht an dicht präsentierten Dingen erleben Besucher hier, wie ein Museum noch vor 100 Jahren ausgesehen hat. Fanny Stoye erklärt begeistert: "Für mich ist dies wie ein Blick durchs Schlüsselloch in die Geschichte." Der Fürst von Schönburg-Waldenburg baute das Museum 1840 auf. Bereits damals unterstützte der sächsische Adlige ein globales Netzwerk aus Missionaren, Händlern und Kolonialisten. Bis in die 1940er Jahre konnten die Waldenburger dadurch viele Schätze anhäufen. Heute ist Museumsleiterin Fanny Stoye "Erbin" dieser Sammlung. Sie bewertet vieles neu und geht der Herkunft ihrer Schätze auf den Grund. Mancher Besitz erschreckt zuweilen, so wie ein länglicher Stock an der Wand. Die alte Beschriftung erklärt ihn als "Walpenis". Aber Fanny Stoye erkennt etwas Anderes darin: "Das waren Peitschen, mit denen Sklaven gequält wurden. Das steht sogar auf einem Zettel im dazugehörigen Karton aus dem Depot. Aber die Ausstellung verschweigt dieses Wissen." - Noch. Was wird das Forschungsprojekt zutage fördern? Werden Geschichten, wie die der Massai dazu führen, dass die Vitrinen der sächsischen Museen irgendwann leer sind? Und müssen tatsächlich wertvolle Objekte zurückgege
Bild: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK